Neueinleitung
Seit ich mich vor etwa 15 Jahren zum erstenmal mit dem Thema "Regionalismus und Weltgesellschaft" beschäftigte und ich es daraufhin auch zum Thema meiner Diplomarbeit machte, ist viel geschehen. Die nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch auf Weltebene einschneidenden Veränderungen veranlaßten mich zu dieser neuen Einleitung, um in ihr neuere Entwicklungen mit aufzunehmen. Der Versuchung jedoch, die Arbeit bei der Gelegenheit gründlich durchzuarbeiten, hielt ich stand, es wäre sonst etwas völlig anderes entstanden. Ich begnügte mich also mit einer kritischen Durchsicht. Die Arbeit selbst blieb bis auf die Tilgung offensichtlicher Fehler und stilistischer Änderungen unverändert. Hinzugefügt wurden jedoch zwei weitere Arbeiten aus dieser Zeit. Es ist dennoch wichtig darauf hinzuweisen, daß meine damaligen Gedankengänge bis heute im wesentlichen unverändert geblieben sind, ja sogar noch verstärkt wurden, da manches, was ich damals unkonkret empfand, durch viele Welt- und Regionalereignisse seitdem bestätigt gefunden habe.
Die Euphorie des Regionalismus ist angesichts des zur Zeit kälteren neoliberalen Klimas in der Bundesrepublik jedoch längst verflogen. Sich für den Regionalismus einzusetzen, ist etwas in Verruf gekommen und "linke Kreise" geraten dabei leicht in den Verdacht, mit den "Neuen Rechten" zu paktieren, weil deren Protagonisten sich ebenfalls gerne mit den Signien von "Heimat" und "Volkstum" schmücken. Auf der anderen Seite entstand vor einigen Jahren eine Debatte über "Kommunitarismus" und "Zivilgesellschaft", die in die Bresche des in Verruf geratenen Regionalismus zu springen vermochte. Es hat heute jedoch den Anschein, daß die Regionen die Durchlauferhitzer für die Zentren geworden sind und es schwindet die Hoffnung, daß auch sie von Europa profitieren könnten.
Die angesichts des Golfkrieges von 1991 aufkeimende Hoffnung auf eine "Neue Weltordnung", die von der us-amerikanischen Regierung nach Beendigung des Irak-Kriegs geweckt worden war, versandete schnell angesichts der schneller folgenden Kriege in Jugoslawien oder Somalia. Nachdem der Irak-Krieg schon einige Jahre zurückliegt, ist es um diese "neue Weltordnung" sehr still geworden. Dafür wurde die Debatte um die Globalisierung der Welt mit ihren globalen Märkten, vor allem im Multimediabereich, zum Wortschöpfungsrenner Nummer Eins.
Dennoch scheinen mir sowohl der Begriff "Regionalismus" als auch der Begriff der "Weltgesellschaft" weiterhin geeignete Analyseinstrumente zu sein, einerseits weltweite Einflußherauszuarbeiten und andererseits die aus den unmittelbaren Nahbereichen stammenden endogenen Faktoren einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich zu machen.
Die bis heute anhaltenden finanziellen Probleme der Kommunen und Landkreise, aber auch der politische, ökonomische, soziale und kulturelle Zusammenbruch der "Zugewinnländer" in der alten DDR nach der Wende 1989 beweisen sehr gut, daß ein progressiver Regionalismus, verbunden mit einer gut durchdachten Regionalpolitik, dringender und erforderlicher denn je ist. Dennoch ist jedoch die dabei entstehende Gefahr eines allgemeinen Trends zum Rechtspopulismus mit seinen Mob-Ausläufern nicht zu übersehen.
Im folgenden werde ich mich zunächst mit der Weltgesellschaft im Zusammenhang der Bestrebungen um eine "Neue Weltordnung" befassen (1). Ihm folgt ein Abschnitt über einen an sich "überholten" Nationalismus (2), dem eine Betrachtung darüber folgt, ob man die Region nun "zum Abstellplatz oder zur Müllhalde" verkommen sollte oder ob es in den nächsten 20 Jahren auch eine angemessene Entwicklungsalternative geben kann (3). Den Abschluß bildet ein Überblick über die Situation und die Entwicklungsaussichten der Region Nordfriesland (4).
Weltgesellschaft und Globalisierungstendenzen
(1) Die moderne Industriegesellschaft hat ohne Zweifel die globale Vernetzung vorangetrieben. Es entstand die uns bekannte "One World", in der bislang weltweit alle disparaten oder isolierten Lebenszusammenhänge zur wechselseitigen Abhängigkeit und Einheit zusammengeschweißt werden. Wenn sich auch die Politikwissenschaft, insbesondere die, die sich mit "Internationaler Politik" befaßt, dem Begriff "Weltgesellschaft" keinen prägnanten Erklärungswert beigeben mochten, so tragen doch "die wachsende ökonomische Verflechtung, die gesteigerte Interdependenz weltpolitischer Handlungsfelder, die Globalisierung militärischer Sicherheitskalküle, die sprunghafte Ausbreitung des Informationsaustausches oder die brisante Intensivierung ökologischer Abhängigkeitsverhältnisse" zur gleichbleibenden Popularität des Begriffes bei. (Richter 1990, 275 f.)
Um aber mit dem sich eindeutigen Definitionen entziehenden, aber unentbehrlich gewordene Begriff "Weltgesellschaft" doch noch fruchtbringend zu arbeiten, schließe ich mich wie beim Begriff "Regionalgesellschaft" der Auffassung an, ihn als räumliche Kategorie im Sinne weltübergreifender menschlicher Beziehungen zu denken. Auch Weltgesellschaft unterliegt typischerweise denselben sozialen Beziehungen wie bei der Regionalgesellschaft. Klaus Jürgen Gantzel zufolge ist die räumliche Ausdehnung der Weltgesellschaft praktisch identisch mit der der Weltbevölkerung. (Tudyka 1989, 503 ff.)
Mit dieser Definition wird aber noch keine Aussage über die Weltgesellschaft gemacht, die politikwissenschaftlichen Ansprüchen standhält. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß hier Staat und Gesellschaft in Nationalstaaten auseinanderfallen und es von daher auch keine Identität von "Staat" und "Gesellschaft" geben kann. In der "Gesellschaft" eines "Staates" sind die einzelnen Subjekte innerhalb eines von nationalstaatlichen Grenzen bestimmten Bereichs zusammengefaßt. Der Unterschied zwischen "Staat" und "Gesellschaft" besteht darin, daß der Staat einen Zwangszusammenhang der in ihr lebenden Subjekte bildet, während für die "Gesellschaft" ein freiwilliger Zusammenschluß der Subjekte kennzeichnend ist, die gemeinsam bestimmte Ziele verfolgen.
Krippendorf begreift die internationale Entwicklung der Weltgesellschaft als einen Prozeß der sukzessiven Durchsetzung des Kapitalismus im Weltmaßstab. Danach hat die kapitalistische Revolution des 15./16. Jahrhunderts über die Expansionsstufen des Kolonialismus und Imperialismus hinaus das heutige internationale System hervorgebracht und über die Integration sukzessiver historischer Erfahrungen den Boden bereitet "für die menschlich-gattungsgeschichtliche gemeinsame Erkenntnis des Zieles dieser Entwicklung in der Weltgesellschaft." Damit sind konkurrierende Alternativen zur kapitalistischen Produktionsweise ebenso verdrängt worden wie sich andererseits die prinzipielle Interdependenz der auf Überwindung und Aufhebung kapitalistischer Widersprüche zielenden Bewegungen in allen Teilen des Weltsystems abzeichnet. Die wissenschaftliche Analyse internationaler Beziehungen muß daher in einer politikökonomischen Gesellschaftsanalyse verankert sein, die sich wiederum rückbezieht auf "Gesetzmäßigkeiten, die den Produktions- und Reproduktionsprozeß in der Epoche des Kapitalismus bestimmen". (Krippendorf)
In neueren Ansätzen der Lehre internationaler Beziehungen gilt z. B. in den Vereinigten Staaten vornehmlich ein Verständnis internationaler Politik als eines zwischen staatlichen Akteuren ausgetragenen nullsummenspielartigen Machtkonfliktes (Realismus/Neorealismus). Als erkenntnisleitendes wissenschaftliches Weltbild werden hier Internationale Beziehungen als eines der weltgesellschaftlichen, die Ebene der staatlichen Akteure zugleich übergreifenden und unterlaufenden, nicht konflikthaften, sondern kooperativen Phänomen im Kontext weltpolitischer Interdependenz (Idealismus/Globalismus) begriffen.
In Großbritannien entstand im Anschluß an die Arbeiten von John Burton eine weltgesellschaftlich-systemische Perspektive internationaler Beziehungen, "die die Interaktionsmuster analytisch zu fassen sucht, ohne die intergesellschaftlichen Beziehungen den zwischenstaatlichen nach- oder unterzuordnen bzw. den Blickwinkel der Untersuchung zu ausschließlich auf staatlich-gouvernementale Handlungsträger zu zentrieren." In beiden Bereichen der Lehre entwickelte sich eine an Hume, Smith und Ricardo anknüpfende Internationale Politische Ökonomie, "deren Erkenntnisinteressen und Fragestellungen über den traditionellen Ansatz der Lehre von den internationalen Wirtschaftsbeziehungen weit hinausfassen und im Sinne einer Abwandlung der Frage Lasswells 'Wer bekommt was, wann und warum?' den tatsächlichen Auswirkungen von in einem Teilbereich der Weltgesellschaft getroffenen politischen und/oder ökonomischen Entscheidungen über die Allokation und Verwendung von Ressourcen auf (oder in) andere(n) Teile(n) der Weltgesellschaft nachspüren." (Das Parlament, 25. 7./1. 8. 87)
Die Ebene der Weltorganisationen sollte in diesem Zusammenhang ebensowenig vernachlässigt werden wie die freiwilligen länderübergreifenden Zusammenschlüsse der Staaten, die auf Weltebene etwas von ihrer Souveränität zugunsten übernationaler politischer Einheiten abgegeben haben. Daß es trotz der UNO nicht gelungen ist, die Welt friedlicher zu machen, gar einen einheitlichen Weltstaat mit Weltregierung und entsprechender nachfolgender Organe zu begründen, ist nicht weiter verwunderlich und eigentlich auch nicht ihre Aufgabe. Nach der Aufhebung des Kalten Kriegs etwa im Jahre 1989 und angesichts des letzten Golfkrieges in Kuwait und im Irak und vor dem Hintergrund des Krieges und der Konflikte in Jugoslawien und Somalia zeichneten sich dennoch zeitweise neue und interessante Entwicklungen innerhalb der UNO ab. Ob diese allerdings in Richtung besserer Verhältnisse auf Weltebene verlaufen wären, muß offenbleiben. Der Ost-West-Gegensatz hat sich in den letzten Jahren zwar verringert, aber die unruhigen und undurchsichtigen Verhältnisse in Osteuropa sorgen immer noch für Überraschungen.
Es scheint, daß die Ideologie des "Kapitalismus" bis auf geringe Reste sich weltweit durchgesetzt gegenüber der Ideologie des "Sozialismus", die für das Scheitern aller realsozialistischen Ansätze verantwortlich gemacht wird. Der Begriff der "Neuen Weltordnung" tauchte dann naheliegend erst in den Schlagzeilen der Weltpresse auf, als erkennbar wurde, daß die Sowjetunion als Weltmacht ruhmlos abtreten mußte. Der zweite Golfkrieg kann zu Recht als Geburtsstunde der Ideologie der "Neuen Weltordnung" gelten. George Bush erklärte z. B. am 29. 1. 1991 in seiner Rede zur Lage der Nation:
"Seit zwei Jahrhunderten haben wir für die Freiheit hart gearbeitet. Und heute führen wir die Welt im Kampf gegen eine Bedrohung der Anständigkeit und Menschlichkeit. Es geht um mehr als ein kleines Land , es geht um eine große Idee: um eine neue Weltordnung, in der verschiedene Nationen sich um gemeinsame Angelegenheiten kümmern, um die Verwirklichung der universellen Hoffnungen der Menschheit: Frieden und Sicherheit, Freiheit und Gesetzlichkeit. Eine solche Welt ist unseres Kampfes würdig und der Zukunft unserer Kinder." (Hippler 1991, 86)
Wiederkehr des Nationalismus
(2) "Nationen" oder der "Nationalismus" sind relativ späte Erscheinungen der Neuzeit. Dabei zeichneten sich zwei unterschiedliche Gebilde ab, einmal die Staatsnation, die auf einem bestimmten Territorium alle in ihr lebenden Menschen umfaßte. Die Abstammung oder Herkunft spielte nur eine unwesentliche Rolle. Zum anderen entstand die Kulturnation. In ihr wurde versucht, ein bestimmtes Volk oder Nationalität als Träger eines Staatswesens zu bestimmen.
Da die Nation zwischen Regionalgesellschaft und Weltgesellschaft angesiedelt ist, muß ihre Rolle eingegangen werden, die sie in übernationaler oder regionalspezifischer Hinsicht einnimmt. Die Betrachtung dieses Aspekts ist auch deswegen notwendig, weil der Nationalismus seit einigen Jahren in Osteuropa, aber auch in Deutschland besonders angeder Wiedervereinigung eine überraschende Wiederkehr erfuhr:
"Die neuen Nationalismen resultieren nicht aus verspäteten Übergangskrisen agrarischer in industrielle Gesellschaften, sie reagieren auf spezifisch 'moderne' Problemkomplexe. Die Sowjetunion war nicht das 'letzte Imperium', sondern zerbrach letztlich an einem Umverteilungsmechanismus zwischen den Republiken, als dieser nicht länger Wachstum, sondern die Übergangskosten zur Marktwirtschaft aufteilen sollte. Im neuen westeuropäischen Nationalismus rächt sich, daß die Herstellung des gemeinsamen Marktes ohne ausreichende sozialpolitische Absicherung verläuft und damit die Risiken auf jene Gruppen abgewälzt werden, die ihnen am wenigsten gewachsen sind. Die rassistische Phantasien freisetzende Einwanderung ist nicht zuletzt Folge unerfüllter Entwicklungsversprechen an die Länder der Dritten Welt." (Prokla 1992, 165)
Nach Günter Jacob sind die bürgerlichen Staaten auf dem Weltmarkt "so etwas wie Communities, die gegeneinander konkurrieren, aber auch miteinander auskommen müssen, weil sie sich gegenseitig benutzen wollen. Der Weltzusammenhang einer "Nation" wird von der Staatsmacht hergestellt, um das Geschäft ihrer Bürger von den Schranken ihres Herrschaftsbereichs zu befreien. Dabei stößt sie auf die Schranke, die die Existenz auswärtiger Souveräne darstellt. Mit ihnen muß sie sich irgendwie ins Einvernehmen setzen. Es ist ein Geschäft gegenseitiger Erpressung mit diplomatischen Tricks und ökonomischen Mitteln, mit militärischer Drohung und manchmal auch mit richtigem Krieg." (Jacob (1993, 51). Innerhalb der einzelnen Staaten fand historisch und aktuell ein Prozeß der Homogenisierung statt, in dessen Verlauf diese imaginäre Gemeinschaft "Nation" sozial konstruiert wurde,
"etwa durch den einheitlichen Namen ('Deutsche/r'), die relativ stabilen staatlichen (Ab-)Grenz(ung)en, die relative Kontinuität eines Staates (und damit einhergehend: das kollektive Gedächtnis als Resultat der Verflechtung der individuellen Existenz in das Geflecht einer kollektiven Geschichte), die Sprachnormierung zur angeblichen 'Muttersprache', das einheitliche Recht, daß die Spuren der internen Auseinandersetzungen dieser Nation trägt (als abgeschlossenes Terrain sozialer Kämpfe), die einheitlichen Zahlungsmittel, die hierarchische soziale und politische Ordnung, vom Regierungsapparat über die Armee und Verwaltung bis zu den sozialen Normen und Codes." (Jacob 1993, 51)
Der bürgerliche "Nationalstaat" konnte in der Vergangenheit nur durch zwei ernsthafte Gegner bedroht werden: "den separatistischen Regionalismus (der dem Nationalismus symmetrisch ist) und den Inter-Nationalismus des radikalen Flügels der alten Arbeiterbewegung". Beides stellt nach Jacob aber zumindest in Deutschland keine Gefahr mehr da. (Jacob 1993, 53 f.)
Im Vergleich zwischen Europa und den USA glaubte Jean Baudrillard, daß die europäische Kultur in ihrer Universalität unterzugehen droht. Als universell bezeichnete er die Ausbreitung des Marktes, des Austausches von Waren und Geld ebenso wie die Idee der Kultur. Allerdings muß der Universalität der westlichen Kultur mißtraut werden, denn sie beruht auf Zentralisierung (die zu den angeglichenen Elitekulturen der jeweiligen europäischen Nationalstaaten geführt haben) und auf abstrakte Formalisierbarkeit. Das führt nach Baudrillard zu der doppelten Unmöglichkeit, "sich föderativ zu größeren Einheiten zusammenzuschließen. Eine Kulturnation, die in einem kohärenten historischen Prozeß zentralisiert worden ist, stößt auf (...) Schwierigkeiten (...), sowohl selbständige Untereinheiten zuzulassen, als auch sich in ein übergreifendes System zu integrieren. Jeder Prozeß der Zentralisation enthält eine fatale Unumkehrbarkeit". (Baudrillard 1984)
Nach Baudrillard ist in Amerika eher gelungen, was an Selbstverständnis den Europäern fehlt. Der föderative Zusammenschluß war für Amerika von Anfang an kein Problem. So herrscht dort eine Kultur oder Unkultur der Promiskuität, der Völker- und Rassenmischung, der Rivalität und der Heterogenität vor. Die Kehrseite allerdings, "der naive Glaube der Amerikaner, Mittelpunkt der Welt zu sein, größte Macht und absolutes Vorbild" (Baudrillard 1984) ist nicht einmal falsch:
"Dieser Glaube beruht nicht primär auf technische Ressourcen oder Waffen (über die Europa ebenso überreichlich verfügt), er beruht auf dem angenommenen Wunder einer Wirklichkeit gewordenen Utopie, d. h. einer Gesellschaft, die, mit manchmal unerträglicher Aufdringlichkeit von der Annahme ausgeht, daß sie all das verwirklicht hat, wovon andere Völker träumen: Gerechtigkeit, Reichtum, Überfluß, Ordnung und Freiheit. (...) Man mag über die Arroganz der Multis und des Dollars denken, wie man will, es ist und bleibt genau jene Kultur, die selbst die fasziniert, die weltweit unter ihr leiden". (Baudrillard 1984)
Genau dieser Sachstand zeichnet die in US-Amerika seit einigen Jahren geführte Kommunitarismus-Debatte aus, die auch im Hinblick um die Diskussion des Regionalismus immer wichtiger wird.
Region als Müllhalde
(3) Der Begriff der "Region" läßt sich durch eine Reihe homogener Kriterien charakterisieren, die historischer, kultureller, geographischer und ökonomischer Art sind. Der Regionsbegriff setzt sich, indem er sich auf eine bestimmte historische Landschaft bezieht, gegen eine Methode der Regionalisierung ab, die die "Region" rein instrumentell oder funktional auffaßt. (Martens 1980, 268). Soll aber eine bestimmte Region in ihrer historischen Entwicklung untersucht werden, ergibt sich für ein weiteres Vorgehen zunächst die Schwierigkeit der Abgrenzung, da hier von einer anderen als der derzeitigen politischen Einheit auszugehen ist. Das Kriterium der Homogenität allein oder des Zusammengehörigkeitsbewußtsein der Bewohner einer Region ist ebenfalls, weil zu schwammig, für eine Regionsbestimmung ungeeignet. Die "Region" eignet sich ebensowenig zum "historischen Subjekt" wie sie auch nicht einfach der Träger einer eigenständigen regionalen Entwicklung sein kann. Bestenfalls gibt die "Region" einen empirisch evidenten Ort, einen in seiner Komplexität überschaubaren Rahmen menschlichen Zusammenlebens an. (Steinbach 1983, 316)
Wenn die "Region" auch nicht als eindeutig abgrenzbare Einheit festzulegen ist, sollte dennoch nicht voreilig der Schluß gezogen werden, daß sie selbst keinen entscheidenden Anstoß zur modernen Entwicklung oder Industrialisierung geben könnte. "Region" stellt jedoch nur einen Faktor dieser Entwicklung dar neben vielen anderen wie Bildung, Arbeitskräftepotential, Verkehr, Markt, Nachfrage usw. In dem Zusammenhang läßt sich die "Region" gut als Bezugsraum für bestimmte Tätigkeiten, insbesondere als Objekt staatlichen und wirtschaftlichen Handelns begreifen. (Steinbach 1983, 315f.)
Im günstigsten Fall zeichnet sich die "Region" als Raum mit relativ hoher Homogenität im Bewußtsein der Zugehörigkeit oder auch nur der gegenseitigen Abhängigkeit der in ihr lebenden wirtschaftenden Individuen aus. In diesem Fall ist historisch so etwas wie ein "Gemeinschaftsgefühl" der in der Region lebenden Bewohner entstanden. Gerade bedingt durch die zivilisatorischen Tendenzen des Spätkapitalismus, daß die Menschen zunehmend sich selber und ihrer Umwelt zu entfremden, gewinnen kulturelle Momente an Bedeutung. Deshalb verlangen Regionalplaner - angesichts der "Renaissance des Regionalismus", der "Wiederentdeckung alter, schon fast verdrängter Sprachen", des zunehmenden Dialektgebrauchs, der "Aufwertung des Landlebens und der Mundartliteratur", des Auftauchens von verschiedenen Formen der Gegenkultur, des Bedürfnisses nach "Unmittelbarkeit und Überschaubarkeit", der Relativierung des Fortschrittsbegriffs - nach einer Neubestimmung der "engeren Heimat", der Region. (Martens 1980, 268)
Folgenden Weg könnte die politisch orientierte Regionalforschung gehen:
"Ihr erster Schritt ist der Versuch, ein möglichst komplexes Bild der Situation einer Region, ihrer Vergangenheit und ihrer absehbaren Zukunft zu erstellen. Dazu gehören die Analyse der sozioökonomischen Entwicklungsbedingungen gleichermaßen wie das verstehende Nachvollziehen der Wahrnehmungs- und Wertmuster, Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungsfindungen der regionalen Eliten und Bevölkerung. Das so entstandene Untersuchungsergebnis ist zunächst einmal als eine Interpretationsmöglichkeit zu verstehen, deren Plausibilität, Güte und mögliche Überlegenheit gegenüber anderen sich nicht nur im fachlichen Diskurs, sondern auch in der Diskussion mit der regionalen Bevölkerung erweisen muß. In diesem 'Spiegelbild-Effekt' liegt die aufklärende Wirkung einer Regionalforschung, die der Bevölkerung ein Verständnis für ihre historischen Verstrickungen, für ihre sozialen und räumlichen Bezüge ermöglicht und zur kritischen Auseinandersetzung befähigt." (Danielzyk/Wiegandt 1987, 447)
Die regionale Situation und die regionale Politik muß zweitens in demokratischen Gesellschaften als selbstverständliche Kriterien unter folgendem gesehen werden:
Inwieweit werden politische und wirtschaftliche Entscheidungen über die regionale Zukunft im Rahmen eines offenen Diskurses getroffen, in dem ernsthaft Alternativen entwickelt werden könnten. Es stellt sich also die Frage der regionalen politischen Kultur und der wirtschaftlichen Entscheidungsstrukturen.
Unter den Bedingungen zunehmender ökonomischer und ökologischer Vernetzung wäre die regionale Entwicklung in ihren Folgen, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf andere Regionen oder andere Staaten, für die natürliche Umwelt oder der innergesellschaftlichen Disparitäten zu bewerten. Eine realisierte oder beabsichtigte Regionalentwicklung wäre nur dann zustimmungsfähig, wenn negative Effekte in allen drei Dimensionen nicht zu erwarten sind. (Danielzyk/Wiegandt 1987, 447)
Das Empfinden von Gemeinsamkeiten oder das Bewußtsein gemeinsamer und geschichtlicher Vergangenheiten kann so stark werden und so weit gehen, daß diese sich von den Bedingungen ihrer Entstehung lösen und verselbständigen können. Ein solches geschichtlich geprägtes Regionalbewußtsein ist dann offen für eine Revitalisierung regionalen Sonderbewußtseins. Ein sich hier formierender "Regionalismus" kann im Extremfall bis zur Forderung nach einzelstaatlicher Autonomie gehen. (Steinbach 1983, 316).
In der Bundesrepublik, besonders seit Einschluß der neuen Länder der ehemaligen DDR, entwickelten sich die Regionen und die Kommunen in den letzten Jahren zu besonderen zentralen Konfliktfeldern. Wenn durch die Konfrontierung mit den sinnlich erfahrbaren Entwicklungen, die die unmittelbare Lebenssituation betreffen, sich im Politisierungsprozeß der Bevölkerung in Form zahlreicher Bürgerinitiativen auch ökologistische und regionalistische Bewegungen entstanden sind (Martens 1980, 269), so liegt inzwischen auf lokaler und regionaler Ebene doch eine Situation vor, daß die Städte und Kreise in sozialer und kultureller Hinsicht stark gefordert und damit finanziell übermäßig belastet werden, was ihre Spielräume sehr einschränkt.
Ein Regionalismus ist also zeittypischen Verläufen unterworfen. Mal "dominieren Akkulturationsprozesse (Übernahme exogener Einstellungen und Verhaltensweisen) in der Zeit, in der bedingt durch hohes ökonomisches Wachstum und hohe regionale Wachstumsdifferentiale die persönlichen beruflichen Chancen eher als Ergebnis nationaler bzw. außerregionaler Prozesse gesehen werden. Enkulturationsprozesse (Hineinwachsen in vorgefundene Einstellungen und Verhaltensweisen) nehmen dann an Gewicht zu, wenn das persönliche künftige Schicksal eher in Dimensionen der Entwicklung der Wohnregion verstanden wird. Es ist dabei typisch für die Übergangsphase, daß das Pendel zugunsten der Enkulturationsprozesse ausschlägt. Dies bedeutet in einem hochintegrierten Land der Bundesrepublik nicht Provinzialismus, sondern eine Intensivierung einer politischen Kultur des Selbsthelfertums. 'Regionalismus' als politisch-kulturelle Idee wird vor diesem Hintergrund begründbar. Es kann an Beispielen aus der Bundesrepublik Deutschland und auch aus anderen europäischen Ländern gezeigt werden, daß daraus Initiativenreichtum und eine 'Innovationsbreite' aus lokalen und regionalen Bezügen heraus entstanden sind, die als eine instrumentelle Größe der Entwicklungspolitik wirksam gemacht werden können." (Derenbach 1984, 887)
Die vielgepriesenen Ansätze einer "Regionalentwicklung von unten" entstammen ursprünglich neueren Dritte-Welt-Entwicklungstheorien. Die Ansätze der endogenen Regionalentwicklung haben große Ähnlichkeit mit den Selfreliance- und autozentrierten Entwicklungsansätzen in den Dritte-Welt-Ländern. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Zentren-Peripherie-Problematik in entwickelten Volkswirtschaften ähnlichen Wirkungsmechanismen wie die im globalen Maßstab analysierte unterworfen ist. Es handelt sich um Beziehungen ungleichen Tausches oder verzerrte "terms of trade". Als Therapie wird angeboten, daß die bislang praktizierten Entwicklungsstrategien quasi auf den Kopf gestellt werden müßten: "Für die Entwicklung von peripheren Regionen wird eine selektive Autonomie dieser Regionen vorausgesetzt." Das bedeutet, daß für diesen Regionstyp
"eine relative ökonomische Eigenständigkeit - entgegen der allgemeinen markt- und wettbewerbswirtschaftlichen Doktrin - zuerkannt wird: eine Art 'Schutzzollpolitik', um eine Intensivierung regionaler ökonomischer Kreisläufe zu bewerkstelligen, die einzig in der Lage sein sollen, eine selbsttragende ökonomische Entwicklung zu initiieren;
ein hohes Maß an sozialer und kultureller Selbstbestimmung eingeräumt wird, nicht zuletzt zwecks Förderung des 'Regionalbewußtseins' und - damit verbunden - eines regionalen Behauptungswillens, mit denen der Apathie-Problematik und fortgesetzten Wanderungsverlusten entgegengesetzt werden soll." (Erne 1984, 159)
Was die "eigenständige" oder "endogene Regionalentwicklung" leisten kann, soll mit folgenden ökologischen, soziokulturellen, politischen und ökologischen Ansätzen auf nationaler, interregionaler und regional lokaler Ebene hier noch einmal hervorgehoben werden:
In ökonomischer Hinsicht könnte eine innovationsorientierte Regionalpolitik die Wettbewerbsfähigkeit von regionalansässigen Betrieben bewahren und entwickeln helfen und eine entsprechend selektive Betriebsansiedlungspolitik betreiben; Stärkung der unternehmerischen Entscheidungsfunktion in der Region durch Förderung regional verankerter Betriebe und einer hohen regionalen Identität wirtschaftlicher Kader; Steigerung des regionalen Wertschöpfungsanteils durch Intensivierung innerregionaler Vorwärts- und Rückwärtskopplung und insbesondere durch die ökologische Verwertung eigener Ressourcen; für ein Angebot zukunftsträchtiger Dienstleistungen, Förderung eines regionalen Zentrums, das ein genügendes Marktpotential mit hinreichenden Fühlungsvorteilen kombinieren kann; evtl. noch Förderung von Kooperationen auf genossenschaftlicher Basis.
Die ökonomischen Ansätze müßten mit außerökonomischen Maßkombiniert werden. Im soziokulturellen Bereich geht es z. B. 1. um die Förderung regionaler Vielfalt und Identität; 2. um die Intensivierung regionaler Kommunikationsnetze, z. B. durch Regionalzeitungen, regionale Veranstaltungen, Lokalradios usw.; 3. verbesserte interregionale Koordination zwischen Akteursgruppen; 4. in der Aus- und Weiterbildung regionale Bedürfnisse und Lehrinhalte verdeutlichen; 5. stärkere regionale Animation im "sehr weiten soziokulturellen Bereich".
Ökologisch müßte die Strategie endogener Entwicklung auf die Nachin der Ressourcennutzung ausgerichtet sein, d. h. frühzeitige Identifizierung von ökologischen Belastungsgrenzen, die in der Planung und Realisierung auch respektiert werden müssen. Die Kenntnisse über die Zusammenhänge von Wirtschaft und Naturhaushalt sind noch wenig entwickelt. Daher ist ein regionales Diskussionsforum notwendig, "welches dieses Wissen praxisnah entwickelt und konkret in Verhaltensweisen umsetzt."
In politischer Hinsicht müssen föderalistische Strukturen effektiver gestärkt werden als bisher. Ohne eine dezentrale politische Kompetenz und der entsprechenden Dezentralisierung finanzieller Ressourcen sind kaum "authentische Ziele noch Implementationskraft auf den unteren Stufen der Gemeinwesen erreichbar." Eine verstärkte Koordination auf nationaler Ebene ist notwendig, um raumrelevante Sektoralpolitik auf die Belange einer endogenen Entwicklung abstimmen zu können. Zentralisierende Wirkungen von Bundesaktivitäten zeigen sich vor allem in der Verkehrs- und Energiepolitik und an der Auftrags-Praxis des Bundes. Dazu bedarf es der einer Raumverträglichkeitsprüfung und einer Regionalisierung solcher Maßnahmen, die die endogene Entwicklungsimpulse zu fördern vermögen.
Der Ansatz der Koordination und Kooperation muß auch für die regionale Ebene gelten. Mehrere Bedingungen könnten gar nicht erfüllt werden, wenn die regionalen Kräfte und Institutionen der Region nicht zusammenwirken würden. Für gemeinsame Probleme ist die Zusammenarbeit von Behörden und Gemeinden wichtig. Schließlich sollten sowohl partizipative als auch effiziente institutionelle Strukturen und Entscheidungsprozesse entwickelt werden. Insgesamt bedarf es für die Region einer systematisch und kontinuierlich angelegten Raumbeobachtung, die für die Strategie endogener Entwicklung von großer Bedeutung ist, um endogene Prozesse mit exogenen Einflüssen zu verknüpfen, um die Beziehung zwischen Niveaugrößen (Infrastruktur, regionales Einkommen oder BSP) und den inner- und interregionalen Faktor Strömen sowie den Zielvariablen endogener Entwicklung zu erfassen und um letztlich den Erfolg endogener Entwicklungspolitik und der anderen raumwirksamen Politikbereiche zu kontrollieren.
Die hier skizzierten Ansätze sind insofern dem traditionellen regionalpolitischen Instrumentarium überlegen, als in ihr institutionelle und kulturelle Ansätze ebenso wichtig genommen werden wie ökonomische Anreize. Auf regionaler Stufe könnten viele Initiativen entwickelt und viele Ideen und Entscheidungspotentiale eingesetzt werden, daß die Koordination bestehender Maßnahmen und Verhaltensweisen von zentralerer Bedeutung ist als die relativ wenigen zusätzlich verlangten Finanzmittel. Hinzuweisen wären weiter auf die normativen Verpflichtungen aller Stufen des Gemeinwesens, auf Merkmale wie eine anzustrebende Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie das Augenmerk auf die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen zu legen. (Brugger 1984, 15 ff.)
Das Besondere an Nordfriesland
(4) Die derzeitige Situation Nordfriesland ist, was die Ansprüche einer eigenständigen Regionalentwicklung angeht, nicht gerade berauschend. Es hat einige Ansätze regionaler Wirtschaftsförderungskonzepte gegeben, die vielversprechend waren, jedoch von den politischen und wirtschaftlichen Trägern weitgehend im qualitativen Sinne ungenutzt geblieben sind. Dazu trugen nicht zuletzt die Wende in der DDR und die damit verstärkte finanzielle Förderung bei. Auch bedeutende endogene Ressourcen (Fachkräfte, Wirtschaftsunternehmen) wurden durch diesen Prozeß aus Nordfriesland abgezogen.
Das Besondere an Nordfriesland ist vor allem außer der einzigartigen Landschaft die friesische Sprache. Obwohl seit den 1980er Jahren positive Ansätze zu verzeichnen waren - die friesische Sprache wurde deutlich gefördert, als volkliche Minderheit fand die friesische Sprachgruppe Eingang in die schleswig-holsteinischen Landesverfassung -, ist es im öffentlichen Bewußtsein um die friesische Sprachgruppe immer noch schlecht gestellt. Die Verwendung friesischer Sprache in Fernsehen, Funk und Printmedien findet so gut wie nicht statt (Harms 1995). Immerhin, mehrsprachige Beschilderungen an öffentlichen Gebäuden oder an Ortseingängen wie bei den Lausitzer Sorben wurden inzwischen durch eine Verordnung der schleswig-holsteinischen Landesregierung erlaubt.
Jacob Tholund, lange Jahre für die Nordfriesen im Friesenrat tätig, wies immer wieder auf die desolate Lage des Friesischen in der Praxis und im öffentlichen Bewußtsein hin (Tholund 1991, 91 ff.) Er übersah nicht, daß die friesische Sprache in Nordfriesland zu dem abzusinken drohe, "was man folkloristischen Zierat nennen kann, gerne vorgezeigt in bestimmten feierlichen Situationen, wohlwollend belächelt und heftig beklatscht" hat. Der Niedergang ins Folkloristische hätte sich auch außerhalb der Sprache, im kulturellen Bereich (Tracht, Volkstanz, Brauchtum), bereits weitgehend vollzogen und sei in der Regel kein existentieller Bestandteil des Lebens mehr. Tholund klagte, daß "viele Nordfriesen selber nicht die innere Einstellung besitzen, das friesische Element in Sprache und Kultur so zu revitalisieren, daß es wirklich wieder konstitutives Element des Lebens wird."
Wie wünschenswert der Rückgriff des Vergangenen für unsere lebensweltlich geprägte Sozialstruktur auch sein mag, alte Traditionen können, wenn überhaupt, nur in kritischer Wiederaneignung entsprechend unserer heutigen neuen Kulturwertmaßstäbe erfolgen. Davon dürften wir heute in Nordfriesland weiter denn je entfernt sein, auch wenn Tholund (im Jahre 1991) immer noch hoffnungsvoll die "günstige Stunde" ersehnt, in der sich die rechtlichen und institutionellen Fortschritte "der letzten dreißig Jahre zum Motor einer wirklichen Bewegung des Volkes" entwickeln könnten. Geschieht das nicht, dann sieht er kaum "Chancen für eine existentiell bedeutsame Qualität des Überlebens der Nordfriesen".
Schützenhilfe kommt auch aus Westfriesland. Die dort wohnenden 350.000 friesisch sprechenden Menschen entwickeln eine ganz andere Qualität, was das Überleben und die Zukunft ihrer Sprache angeht. Lammert G. Jansma, der Direktor der Fryske Akademy, der sein Institut als großer Bruder oder große Schwester gegenüber dem Nordfriisk Instituut in Nordfriesland vergleicht, erkannte anhand der erschienenen Beiträge in den nordfriesischen Publikationsorganen nur sehr schwer, "welche Ziele die Friesische Bewegung nun exakt" eigentlich verfolge.
Besonders fiel ihm der Mangel an Diskussionen auf, wobei er jedoch einräumte, daß er wenig darüber informiert sei, welchen Druck die Nordfriesen möglicherweise auf politische Parteien, auf Parlamente oder andere politische Gremien (in Deutschland) ausüben könnten. Stellungnahmen zu Positionen des Friesischen würden Jansmas Meinung nach fast ausschließlich von Wissenschaftlern kommen. Eine Friesische Bewegung und der Wille zur Spracherhaltung seien jedoch nötig, um der nordfriesischen Sprache eine Zukunft zu ermöglichen. Wenn in der Zeitschrift "Nordfriesland" z. B. darüber geklagt würde, daß es immer noch keine zweisprachigen Ortsschilder gäbe oder im Radio kaum Friesisch gesprochen werde, so frage er, wo die Jugendlichen (Studenten) in Nordfriesland mit ihrer Courage blieben. Warum nähmen sie nicht Farbpinsel in die Hand, um die Ortsschilder zu übermalen oder als Tüftler soviel Einfallsreichtum hätten, daß sie einen Rundfunksender basteln und eine Sendung unter Beachtung des gesetzlich Möglichen ausstrahlen ließen? (Jansma 1995, 24 ff.)
Literatur
Baudrillard 1984: Jean Baudrillard, in: Europa und die Intellektuellen, in: Frankfurter Rundschau vom 26. Mai 1984
Brugger 1984: Ernst A. Brugger, "Endogene Entwicklung": Ein Konzept zwischen Utopie und Realität, in: Informationen zur Raumentwicklung, (1984), H. 1/2
Danielzyk/Wiegandt 1987: Rainer Danielzyk/Claus-Christian Wiegandt, Regionales Alltagsbewußtsein als Faktor der Regionalentwicklung? Untersuchungen in Emsland, in: Informationen zur Raumentwicklung, (1987), H. 7/8
Derenbach 1984: Rolf Derenbach, Bedingungen und Handlungsfelder regionaler Selbsthilfe, in: Informationen zur Raumentwicklung, (1984), H. 9
Erne 1984: Hermann Erne, Regionalplanung, Regionalbewußtsein und "Parlamentarisierung" der regionalen Ebene, in: Informationen zur Raumentwicklung, (1984), H. 1/2
Harms 1995: Lars Harms, Friesische Sprache bedroht, in: Flensborg Avis, 29. 8. 1995
Hippler 1991: Jochen Hippler, Die Neue Weltordnung, Hamburg 1991
Jacob 1993: Günter Jacob, "Notfalls unter Einsatz des Lebens". Ich-Identität und nationale Identität, in: 17oC, (1993)
Jansma 1995: Lammert G. Jansma, Große Schwester - kleine Schwester. Fryske Akademy und Nordfriisk Instituut im Vergleich, in: Nordfriesland, (1995), H. 110, S. 24 ff.
Martens 1980: Detlev Martens, Grundsätze und Voraussetzungen der regionalen Regionalpolitik, in: IzR, (1980), H. 5
Prokla 1992: Editorial: Nationalismus am Ende des 20. Jahrhunderts, 22. Jg. (1992), H. 87, 162-165
Richter 1990: Emmanuel Richter, Weltgesellschaft und Weltgemeinschaft. Begriffsverwirrung und Klärungsversuche, in: PVS, 31. Jg. (1990), H. 2, 275-279
Steinbach 1983: Peter Steinbach, Anfänge der Industrialisierung im Fürstentum Lippe, in: Jürgen Brockstedt (Hrsg.), Frühindustrialisierung in Schleswig-Holstein, anderen norddeutschen Ländern und Dänemark, Neumünster 1983
Tholund 1991: Jacob Tholund, Bericht zur Lage der friesischen Bevölkerungsgruppe, in: Minderheiten in Europa. Landtagsforum am 7. Juni 1991, S. 91 ff.
Tudyka 1989: Kurt Tudyka, "Weltgesellschaft" - Unbegriff und Phantom, in: PVS, 30. Jg. (1989), 503-508
Februar 1993, aktualisiert Juli 1998
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