Zur Geschichte Nordfrieslands
Die Friesen siedelten sich in der Vergangenheit in den schwer erreichbaren immer wieder von Überschwemmung bedrohten Gebieten der Nordseeküste an. Oft genug unterlagen sie den Kämpfen mit den Naturelementen und mußten dem Meer weichen. Sie schützten sich, bauten Warfen und Deiche, die gemeinsam verteidigt werden mußten. Es prägte lange Zeit ihre Rechts- und Freiheitstradition, die sie, wenn auch defensiv, gegenüber der Obrigkeit in Schleswig und Kopenhagen behaupteten. Nordfriesland gehörte bis 1864 politisch teilweise zum Herzogtum Schleswig und teilweise zum dänischen Königreich. Die Insel Helgoland mit ihren friesischen Einwohnern, 1714 dänisch geworden, 1807 an Großbritannien abgetreten, wurde 1890 vom Deutschen Reich gegen die deutschen Kolonialbesitze Sansibar und Wituland in Afrika ausgetauscht. Wie das Herzogtum Schleswig unterstand von 1721 bis 1864 auch das Herzogtum Holstein als Mitglied des dänischen Gesamtstaates dem dänischen König, der in Personalunion gleichzeitig Herzog von Schleswig und Holstein war.
Weil das friesische Gebiet an der Westküste Schleswig-Holsteins teilweise eine selbständige Rechtsenklave war und weil ihre isolierten und abgelegenen Wohngebiete im Winter nur schwer erreichbar waren, gelang es den Friesen bis in die heutige Zeit ihre eigenständige Sprache und Kultur zu bewahren. Zwar politisch nie selbständig, wurden doch ihre abweichenden Rechtsauffassungen und ihre Selbstverwaltung gegen geringe Abgaben und Verpflichtungen von ihren jeweiligen Landesherrn toleriert. Im Gegensatz zu den südlich der Eider wohnenden Dithmarschern mangelte es den Nordfriesen aber am Einigungswillen untereinander und am überörtlichen Zusammenhalt. Schuld daran mag die isolierte Lage ihrer Wohngebiete gewesen sein. Aber auch größere Land- und Menschenverluste, vor allem durch Überschwemmungen, die großen "Mandränken" im 14. und 17. Jahrhundert, mögen ihre eigenständige Artikulation verhindert haben. Im frühen Mittelalter bereits der dänischen Krone unterstehend, später den holsteinischen Grafen, dann teilweise wieder an des Herzogtum Schleswig und oder später wieder an den dänischen Gesamtstaat gebunden, standen sie, zu Beginn des hoffnungsvollen Selbstwerdungsprozesses während der Liberalisierungs- und Aufklärungsperiode Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts, zusehends im Spannungsfeld der nationalen Auseinandersetzungen zwischen Dänen und Deutschen.
Ernsthafte vor allem von den sogenannten "älteren Liberalen" ausgehenden und von der Romantik beeinflußte Bemühungen in Schleswig-Holstein wurden später jedoch wieder von den im Geiste der Aufklärung erzogenen "jüngeren Liberalen", die sich mehr der deutschgesinnten schleswig-holsteinischen Bewegung zuwandten, zunichte gemacht. Auch viele der führenden Nordfriesen fühlten sich eher dieser Bewegung zugehörig. Sie wünschten den Anschluß an die deutsche Kultur und ersehnten ein vereintes Deutschland herbei. Der größte Teil der nordfriesischen Bevölkerung nahm jedoch in den Auseinandersetzungen vor und nach 1848 eine eher abwartende passive Stellung ein. "Unpolitisch" wie sie waren, wollten sie ihre eigene Wege gehen und in Ruhe gelassen werden. Sie sympathisierten weder mit der "Eiderdänenpartei" in Kopenhagen, die am liebsten ganz Schleswig danisiert hätten, noch mit der "Schleswig-Holsteiner Partei".
Als in Dänemark die Partei der Eiderdänen an die Macht gelangte, eskalierte die Situation. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den "Schleswig-Holsteinern", die von 1848 bis 1851 eine "Provisorische Landesregierung" konstituiert hatten, und dem dänischen Gesamtstaat. Der Konflikt dauerte bis 1864 an, in dem zum Schluß auch Preußen und Österreich kriegerisch eingriffen und Schleswig-Holstein vom Einfluß Dänemarks befreiten. Allerdings wurden von den Preußen bis 1867 schließlich die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein als preußische Provinz annektiert. Mit der Eigenständigkeit Schleswig-Holsteins war es damit vorbei. Das preußische Rechts- und Verwaltungssystem wurde übernommen und es hatte nun auch einen erheblichen Einfluß auf die Selbstverwaltungsstrukturen in Nordfriesland.
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