Schlußbemerkungen
Wie einst den abgeschlossenen räumlichen territorialen Einheiten die Aura des Unverwechselbaren und Ursprünglichen anhaftete, - von der in ihr lebenden Bevölkerung allerdings kaum bewußt wahrgenommen wird, es war ja ihre gewohnte, gelebte Welt , so verändert sich heute angesichts der Einflüsse der Weltgesellschaft auch die Region. Der vor allem nationalistisch sich gebende Staat ist ebenfalls angesichts der weltweiten Zunahme von Wirtschaft und Verkehr und angesichts der weitgehend angeglichenen politischen Systeme anachronistisch und obsolet geworden.
Zu verlockend war es für den in der Provinz oder mit der Nation fest verwurzelten Menschen, die durchschimmernde Transparenz der Außenwelt zu durchstoßen, aus der örtlichen Enge herauszubrechen, um so das Kleinräumige, das Muffige, das Begrenzte zu überwinden. Doch ein solcher Vollzug bedingt Entwurzelung, Vereinzelung und Entfremdung des Individuums angesichts der undurchschaubaren Lebens- und Wirtschaftswelt und angesichts des Vordringens des Staates in alle Lebensbereiche. Diese vom technischen Fortschritt begleitete Entwicklung beruht auf Tausch und den verdinglichte Beziehungen innerhalb der kapitalistisch verfaßten Gesellschaft. Die sichtbarer werdenden negativen Auswüchse veranlassen dennoch die Menschen, von Zuständen zu hoffen und zu träumen, in denen sich die vertraute Geborgenheit ihrer Kindheitswelt wieder zurückholen ließe.
Müssen die Betroffenen sich damit abfinden oder untätig zusehen, daß die regionalen Kulturen bröckeln und allmählich den Zentralen angeglichen werden? Fest steht, daß die allgemeine modernistische Entwicklung alle vorhandenen und die entgegen aller Erwartungen noch behaupteten Sprachinseln und Minderheitskulturen in höchstem Maße gefährdet sind. Von daher sind die Widerstände und Proteste gegen die allgemeinen Nivellierungstendenzen zu erklären. Dennoch lassen sich Regionalsprachen und Regionalkulturen nur dann fördern und vor Diskriminierung schützen, wenn gegenwirkende Maßnahmen im Rahmen eines pluralistischen Selbstverständnisses und dezentralistischer demokratischer politischer Strukturen erfolgen.
Vielleicht lassen sich dennoch vor diesem Hintergrund einer weltweiten, allerdings nicht überall durchsetzten universalistischen Moral, möglicherweise gerade durch diese, Regionalkulturen und altüberlieferte Traditionen sich vor den zerstörerischen Wirkungen modernistischer Einflüsse retten oder bewahren. Nur ein auf universeller Grundlage beruhender Pluralismus sichert die Existenzmöglichkeiten unterschiedliche Kulturformen und andersartiger Lebensweisen. Nur unter der Voraussetzung, daß partikulare, oft rivalisierende Lebensweisen nebeneinander bestehen, ohne sich gegenseitig zu gefährden, würde sich die Utopie einer postmodernen Weltgesellschaft realisieren lassen.
Die Schönheit der Landschaft mag zwar schöne und reiche Leute zu einem vergnüglichen Badeleben anlocken. Die Kehrseite besteht jedoch darin, daß angesichts überdurchschnittlich hoher Arbeitslosenraten und der durch den Fremdenverkehr bedingten kräftig angestiegenen Wohn- und Lebenshaltungskosten gerade junge Leute aus der Region abwandern. Es sollte keine immense Industrieansiedlungspolitik unter vordergründigen Arbeitsplatzgesichtspunkten forciert werden, die gegenteilige, nicht beabsichtigte Folgen in späterer Zeit hervorrufen würden. Es sollte keine die Region betreffenden Planungen von fernen Zentralen heraus gemacht werden, die letztenendes nur den Bedürfnissen der Bewohner in Ballungsgebieten zugute kommen. Die Betroffenen der Region sollten das Recht beanspruchen können, an allen Planungen vom frühestmöglichen Zeitpunkt an beteiligt zu werden. Hier muß eine wirksame Regionalpolitik ansetzen.
Die Friesen, auf denen der Blick in dieser Arbeit gerichtet war, können auf eine lange Rechts- und Freiheitstradition zurückblicken. Die Friesen waren in ihrer Geschichte vor allem durch zwei Faktoren bedroht: von Naturgewalten und vom historischen Geschehen. Die Friesen unterlagen, wie alle regionalen Kulturen, dem gesellschaftlichen Wandlungsprozeß. Sie waren gleichermaßen selbst dafür verantwortlich, wie auch Objekt äußerer Einflüsse. Die Zukunft für die Friesen ist offen und hängt auch im wesentlichen von der Zukunft der weltgesellschaftlichen Entwicklung ab.
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